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Friede, Freude, Eierkuchen!?

Über Teamkommunikation

Im Gespräch:
Brigitte Harste
Brigitte Harste,
Kommunikationstrainerin

Im Gesundheitswesen tobt der Fachkräftemangel, tolle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sind daher unverzichtbar. Wer als Leitung nicht darauf achtet, ob es den Teammitgliedern gut geht, läuft in belastenden Zeiten Gefahr, dass Konflikte eskalieren oder Leute aus dem Team abwandern. Wie schaffst Du es, in Deiner Praxis eine gute Kommunikationskultur zu pflegen? Und was heißt das überhaupt? Darum geht es dieses Mal hier bei uns im Podcast.

Weitere Infos:

 

Teambesprechungen effektiv gestalten

Inhalt dieser Podcastausgabe:

„Das Allerbeste ist, Profilaxe zu betreiben.“

(up_doppelbehandlung-Folge vom 04.01.23)

 

up_doppelbehandlung: Guten Morgen, Brigitte, wie geht es Dir?

Harste: Ich bin etwas angeschlagen, aber draußen ist schönes Wetter – also alles im grünen Bereich.

up_doppelbehandlung: Eine Freundin von mir hat gerade sehr viel um die Ohren, viel Arbeit, Familie, eine Präsentation… die meinte, sie arbeitet eigentlich auch, wenn sie den Kopf unterm Arm trägt. Aber aktuell würde sie schon überlegen, ob sie einfach mal sagt: „Ich bin krank“, um ein wenig durchzuatmen.

Harste: Spannend, dass Du das berichtest. Ich habe gerade ein Webinar gehabt, da ging es darum, wie man es schafft, sich rechtzeitig Auswege zu bahnen, bevor man umkippt. Ich habe Ansprüche an mich, es gibt Ansprüche von außen – bis wann kann ich gehen, bis gar nichts mehr geht? Wie bekomme ich das in die Balance, und was ist auch akzeptiert bei meinem Arbeitgeber?

up_doppelbehandlung: Das kennt ja sicherlich auch jeder, diese Situation. Wenn du an so einem Punkt bist, wo du überlegst, welche Möglichkeit habe ich überhaupt noch, zu reagieren? Vielleicht sage ich einfach: „Ich brauche morgen frei oder ich bin krank“ – also, dass auch als Druckmittel einzusetzen. Ist Dir sowas schon passiert?

Harste: Ja, ist es. Die Strecke davor ist sicherlich etwas, was anzugucken ist und natürlich auch die Kultur: Wie geht meine Teamleitung, mein Chef, meine Chefin damit um? Und das ist für mich so ein Spiel: Der eine bietet etwas an, der andere widerspricht. Das ist ein Ping-Pong-Spiel, das sich extrem hochschaukeln kann. Und wenn es sich so hochschaukelt, dass der Arbeitnehmer keine andere Chance mehr hat, also zu sagen: „Ich werde jetzt krank“, damit ich das, was ich schon immer sagen wollte, durchsetze… Am Ende ist es ja ein Hilfeschrei, wenn ich Krankheit als Erpressung benutze. Das ist eine Folge von ganz vielen anderen Sachen, die auf dem Weg stattfinden – wo eine Kultur fehlt, wo Vertrauen fehlt, eine Offenheit. Dass ich meinem Chef sagen kann: Ich bin im Moment so schlecht drauf, ich bekomme diese Präsentation nicht hin. Wie können wir es anders lösen? Und das wäre idealerweise die Reaktion des Chefs, damit konstruktiv umzugehen.

up_doppelbehandlung: Genau. Bisher habe ich ja von Seiten der Arbeitnehmerin geschaut. Aber wenn ich jetzt Chefin wäre, und da würde jemand vor mir stehen und sagen: „Entweder morgen ist frei oder ich bin krank“. Was mache ich denn dann?

Harste: Ich bin mir sehr sicher der Überzeugung, dass Arbeitnehmer, die so etwas tun, vorher Signale gesendet haben. Ob die Leitung das vorher wahrgenommen hat, oder ob das wirklich deutlich genug war, das muss gar nicht so sein. Nur da ist eine Vorgeschichte vor. Und wenn ein Arbeitnehmer bis zu diesem Punkt kommt und sagt: „entweder – oder“, dann ist das deutlich Erpressung, und es ist auch rein arbeitsrechtlich Nötigung. Und es ist ein Grund, fristlos gekündigt zu werden. Das sollte vielleicht auch jeder Arbeitnehmer wissen. Nur, ich habe das Gefühl, dass dann die Not schon so groß ist, dass sie dieses Risiko eingehen. Und die andere Seite, die du ansprichst, ist natürlich genauso interessant: Was mache ich als Arbeitgeber? Und wenn ich so an Praxen denke…. Wir wissen alle, dass jede Arbeitskraft hochwertvoll ist, und dass die Kalkulationen so laufen, dass nicht mal eben jemand ausfallen darf oder kann. Und dann ist das natürlich eine massive Drohung, wenn da jemand steht und sagt: „Gib mir nächste Woche frei oder ich werde eh krank“.

up_doppelbehandlung: Ja, klar.

Harste: Und dann ist ganz viel schon gelaufen. Wie man reagieren kann, das kann man, glaube ich, gar nicht richtig üben. Aber man sollte sich vorher darüber Gedanken machen: Was würde passieren, wenn? Und das Allerbeste ist, vorher Profilaxe zu betreiben und dafür zu sorgen, dass solche Situationen nicht erst entstehen. Und wenn ich wirklich als Arbeitgeber in so einer Situation bin, dann ist es wichtig, nach innen zurückzutreten und ganz in Ruhe zu reagieren – und zwar mit einer Frage. Zu antworten: „Was genau willst du mir sagen?“ oder „Habe ich das richtig verstanden? Willst du mir sagen, dass Du morgen krank bist?“ oder auch konkret: „Möchtest Du mich damit erpressen?“ Das ist sicherlich nichts, was einem spontan einfällt, das heißt, wenn man darüber nachdenkt, glaube ich, kann man solche Fragen bahnen. Was passiert, wenn ich frage als Arbeitgeber? Ich bringe meinen Mitarbeiter in die Position, dass er antworten muss.

up_doppelbehandlung: Ich spiele den Ball also zurück.

Harste: Genau, und du passt dabei darauf auf, dass du Deine Emotionen dabei in den Griff kriegst. Das ist eine hohe Kunst. Denn wenn ich so bedroht werde, geht bei mir als Arbeitgeber im Kopf ja schon ganz was Anderes ab. Ich überlege ja schon, was mit den Patienten passiert, und wie ich das umsetze, dass ich das alles vielleicht gar nicht mehr halten kann und und und. Zur Zeit sind einfach Ängste deutlich präsenter, in jeglicher Form. Ich glaube, dass die Stelle wund ist, an der wir da angegriffen werden. Und dass dann die Nerven schneller durchgehen, dass schneller Angst hochkommt. Und wenn wir Angst haben, reagieren wir panisch – nicht mehr so, wie wir normalerweise reagieren würden.

up_doppelbehandlung: Ich habe mir Stichworte notiert, einerseits die „Vorgeschichte“, andererseits die „Profilaxe“. Was heißt denn „Vorgeschichte“? wo siehst du denn Ursachen?

Harste: Ich ziehe mal eine Parallele zu einer Beziehung. In einer Beziehung kommt ja auch nicht einer abends rein, macht die Tür auf, sagt „Ich gehe“ und zieht aus. So findet Beziehung ja nicht statt. Und wir haben eine Arbeitsbeziehung. Wir haben eine Beziehung dahin, also gibt es auch eine Vorgeschichte. Wenn ich sowas erlebt habe, haben Menschen mir immer gesagt: „Der hat mir nie zugehört. Ich konnte nie äußern, worum es mir wirklich geht.“ Also, dass vorher gar keine Beziehung stattgefunden hat zwischen Arbeitnehmerin und Chefin, zwischen Chef und Therapeut zum Beispiel. Nach dem Motto: „Ist doch alles prima!“ – aber es wird nicht thematisiert, das irgendetwas NICHT prima ist. Gibt es Konflikte? Sind wir uns mal uneinig? Oder höre ich einfach, ob es Dir gut geht? Es sind keine Maschinen, mit denen wir arbeiten, es sind Menschen. Und sowas gehört in eine Arbeitsbeziehung mit rein. Wenn ich da keinen Sensor für habe, dass da irgendwas schief ist – jemand wird ruhiger oder arbeitet nicht mehr mit soviel Elan.. darauf muss ich aufmerksam werden als Teamleitung, als die Person, die zuständig ist. Da muss man nachfragen und die Person wahrnehmen. Um eben nicht in so eine extreme Situation zu kommen. Erpressung kommt aus einer Emotion heraus, die unglaublich stark ist.

up_doppelbehandlung: Andererseits – schützt mich diese Aufmerksamkeit wirklich vor so etwas? Kann das nicht auch dazu führen, wenn ich eine empathische Chefin bin, dass das Leute ausnutzen?

Harste: Ja, es gibt sicherlich Menschen, die ein Vertrauen auch missbrauchen. Aber wenn ich merke, dass es das Vertrauen, von dem ich dachte, dass es zwischen den beteiligten Personen besteht, gar nicht gibt – dann ist es auch Zeit, Schluss zu machen. Was gerne in therapeutischen Praxen passiert, ist, dass alle sagen: „Wir haben uns doch lieb, alles ist gut“ – aber wir gucken eben gerne lieber nicht dahin, wo es vielleicht doch auch knirscht. Es benötigt eine Art Kultur, wo auch jeder mal sagen, darf, wenn er nicht so gut drauf ist. Das hat eben viel mit Vorleben zu tun. Wie verhalte ich mich als Chef?

up_doppelbehandlung: Vertrauen mit Regeln. Habe ich das richtig wahrgenommen?

Ihr wollt wissen, wie es weitergeht? Um mehr zu erfahren, hört Euch die Podcast-Episode an!

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