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Wie wertvoll ist Therapie?

Über aktives Verkaufen von IGeL-Leistungen

INTERVIEW MIT:
Niels Buschhaus
Niels Buschhaus,
Physiotherapeut

Ist Therapie nur etwas wert, wenn sie etwas kostet? Oder anders formuliert: Sorgt das deutsche GKV-System dafür, dass Patientinnen und Patienten mit einer Gratismentalität zur Therapie kommen? Und kann aktives Verkaufen von Selbstzahlerleistungen helfen, Menschen den Wert von Therapie nahezubringen? Über diese Fragen sprechen up-Herausgeber Ralf Buchner und Physiotherapeut Niels Buschhaus in der aktuellen Podcast-Folge.

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Inhalt dieser Podcastausgabe:

„Ich würde fast sagen, die Leute kommen mit einer Abo-Mentalität“

(up_doppelbehandlung-Episode vom 23.11.2022)

 

Ist Therapie nur etwas wert, wenn sie etwas kostet? Oder anders formuliert: Sorgt das deutsche GKV-System dafür, dass die Patientinnen und Patienten mit einer Gratismentalität zur Therapie kommen? Und kann aktives Verkaufen von Selbstzahlerleistungen helfen, Menschen den Wert von Therapie nahezubringen? Um diese und weitere Fragen geht es in aktuellen der Folge unseres Podcasts. up-Herausgeber Ralf Buchner spricht mit dem Physiotherapeuten Niels Buschhaus.

 

up_doppelbehandlung: Herzlich Willkommen, mein Name ist Ralf Buchner und ich begrüße sie herzlich zu einer neuen Ausgabe von up_doppelbehandlung, dem Podcast von up_unternehmen Praxis.

Heute geht es um therapeutisches Selbstbewusstsein. Wenn man mit Kollegen, spricht, die in Holland ausgebildet wurden, hat man den Eindruck, die sind irgendwie selbstbewusster. Das kann man daran festmachen, dass die Kollegen aus Holland meisten zum Beispiel offensiv Sachen verkaufen, zusätzlich zur GKV-Leistung. Und ich habe mich oft gefragt, woran liegt das, dass die selbstbewusster sind als die Leute, die in Deutschland ausgebildet wurden – die sich dann immer gleich entschuldigen, dass sie nur so kurz behandeln und so. Vor dem Hintergrund der Diskussion, wie das hier so weitergehen soll mit der Ausbildung, finde ich, das ist ein interessantes Thema, und deswegen habe ich mir jemanden über private Kanäle rausgesucht, der in Holland seine Ausbildung gemacht hat und begrüße ganz herzlich Niels Buschhaus – Hallo!

 

up_doppelbehandlung: Was hast Du erlebt in Deiner Ausbildung, was dazu führt, dass Leute dort selbstbewusster auftreten?

Buschhaus: In den Niederlanden werden wir von Anfang an als die Spezialisten betrachtet. Wir sind die Spezialisten für das, was wir tun, und wir bieten die Leistung an, die für das, was wir tun, sinnvoll sind. Dementsprechend ist das die Situation, um uns zu vertrauen.

up_doppelbehandlung: Wie ist das in Holland: müssen die Patienten dafür zahlen, dass sie Therapie kriegen?

Buschhaus: Häufig genug ja. Die Versicherung ist ein wenig anders aufgebaut, und wenn ich jetzt keine umfangreiche Zusatzversicherung habe, muss ich davon ausgehen, dass ich zumindest Teile der Therapie bezahlen muss.

up_doppelbehandlung: Das ist allen klar, die in Holland ausgebildet werden, vermute ich mal?

Buschhaus: Ja.

up_doppelbehandlung: Bedeutet das, dass die Ausbildung einen anderen Blickwinkel hat? Also, wenn ich weiß, dass meine Patienten etwas dafür bezahlen müssen, ist das ja etwas anderes als wenn ich – wie in Deutschland – weiß, dass meine Patienten definitiv nichts dazu bezahlen müssen. Ändert das was an meiner Einstellung zur Therapie?

Buschhaus: Ich denke schon. Man muss ja einen viel größeren Gesamtüberblick haben, wie lange dauert eine Therapie, was beinhaltet sie. Ich muss sehr strukturiert sein und sehr selbstbewusst sagen: „Das dauert jetzt zwanzig oder fünfzwanzig oder auch nur sechs Behandlungen“. Ich glaube, dass darüber schon ein hohes Verantwortungsgefühl kommt, für das, was man da verkauft. Aber auch, dass man dahintersteht, wenn man es macht.

up_doppelbehandlung: Das Thema Verkaufen, spielt das eine Rolle in der Ausbildung der niederländischen Physiotherapeuten?

Buschhaus: Ja und nein. Es gib keine klassische Verkaufsschulung. Es ist eher das Verständnis des Versicherungssystems und natürlich, dass die Physiotherapie einen Wert hat. Und daher wird eher erklärt: Ihr seid dafür verantwortlich zu sagen, was es braucht und Patient ist dafür verantwortlich, zu wissen, was er bereit ist, dafür zu geben.

 

up_doppelbehandlung: Das heißt, Ihr redet über Ergebnisse, was Ihr mit Therapie bewirken könnt.

Buschhaus: Ja.

up_doppelbehandlung: In Deutschland haben ja alle Angst davor, Erfolgsversprechen zu machen. Wie ist das in Holland? Geht man da offensiver damit um?

Buschhaus: Heilversprechen sind auch in den Niederlanden ein schwieriges Thema. Aber es ist da durchaus auch darüber definiert, dass man Zwischenziele steckt. Wenn man die gut erreicht, ist man im Plan auch im Bezug auf die Behandlungszeit.

up_doppelbehandlung: Du behandelst im Moment auch GKV-Patienten, richtig?

Buschhaus: Ja.

up_doppelbehandlung: Und die kommen ja mit einer bestimmten Anspruchshaltung hin, nämlich, dass sie nicht mehr bezahlen wollen als die reguläre gesetzliche Zuzahlung. Und manche motzen schon da. Das heißt, die deutsche GKV sorgt dafür, dass die Patienten mit einer Gratismentalität zur Therapie kommen…

Buschhaus: Ich würde fast sagen, mit einer Abo-Mentalität.

up_doppelbehandlung: Führt das nicht dazu, dass Therapie tendenziell weniger erfolgreich ist als wenn Patienten selbst dazuzahlen müssen?

Buschhaus: In Holland mache ich ja von Anfang an einen Kostenvoranschlag über die gesamte Zeit, die die Therapie sehr wahrscheinlich benötigen wird. In Deutschland hangele ich mich von sechsmal zu sechsmal zu sechsmal. Theoretische könnte der Patient ja nach sechsmal auch woanders hingehen. Ich kann also gar nicht so genau überblicken, wie der Gesamtverlauf ist an der Stelle. Von daher würde ich sagen: Ja, wenn ich von vornherein weiß, jemand ist bereit dafür selbst zu bezahlen, dann kann ich den gesamten Plan aufstellen, wie lange das brauchen wird, mit welchen Zwischenzielen man das macht. Und da ist Planung und Behandlung dann meiner Meinung nach sehr viel einfacher.

up_doppelbehandlung: Und wäre das nicht im deutschen Kontext denkbar? Wenn ich zu Dir zur Behandlung komme, könntest du doch theoretisch einen Plan aufstellen und sagen: „Hör mal zu Ralf, Du müsstest zwanzig Mal kommen. Hier sind die ersten sechs vom Arzt verordneten Termine, ich bin nicht sicher, ob der Arzt Dir alle weiteren Behandlungen, die nötig sind, verordnen wird. Nur dass du Bescheid weißt – dann musst notfalls eben selbst bezahlen. Wäre das ein Weg, der funktionieren würde in Deutschland?

Buschhaus: Nicht bei jedem.

up_doppelbehandlung: Aber eigentlich wäre das die faire Ansage. Warum machen das die Therapeuten in Deutschland nicht?

Buschhaus: Ich denke, dass es viel daher kommt, dass wir die Mentalität haben: „Ich komme mit einem Rezept, und da steht ja schon drauf, was Sie machen sollen. Der Arzt hat ja schon gesagt, was laufen soll.“ Und gar nicht, dass wir den gesamten Behandlungsplan überblicken sollen. Und darüber ein anderes Verständnis beim Patienten herrscht, was er kriegt.

up_doppelbehandlung: Das heißt, das Setting ist schon falsch. Wir bräuchten eigentlich die viel beschworene Blankoverordnung mindestens oder den Direktzugang, damit wir selbst bestimmen können, worum es geht.

Buschhaus: Da würde ich sagen, würde schon eine Stärke liegen. Natürlich ist das mehr Verantwortung, und das will auch nicht jeder. Aber ich sehe da schon große Stärken für die Physiotherapie, um als Spezialisten auch angesehen zu werden und vertreten zu können, was man macht.

 

up_doppelbehandlung: Das heißt, die Gruppe, die sagt: „ich bin Spezialist“, die muss aktiv Verantwortung übernehmen, aber macht dann auch Zusagen, aber macht dann auch Zusagen, was man mit Therapie erreichen kann, und muss dann auch verkaufen.

Buschhaus: Ja.

up_doppelbehandlung: Nun hat mich immer schon interessiert, ob man auch gute Therapie machen kann, wenn man nicht verkauft. Wenn ich als Patient zu Dir komme – erwartest Du dann, dass ich auch was tue? Oder machst Du einfach ‚hands on‘ und dann geht es mir wieder besser?

Buschhaus: Nein. Die Eigenverantwortung steht ganz klar im Vordergrund.

up_doppelbehandlung: Aber die Patienten kommen ja nicht und sagen: „Guten Tag, zeig mir, wie ich Eigenverantwortung lernen kann“, sondern sagen „Guten Tag, ich habe hier einen Gutschein, wie ich behandelt werden kann.“

 

Buschhaus: Ja, und dann fängt die Edukation an.

up_doppelbehandlung: Edukation? Das ist ein hübsches Wort! Ich würde ja sagen, dass kann man auch verkaufen, also „Edukation“ und „Verkaufen“ sind für mich zwei Teile. Was machst Du bei der Edukation?

Buschhaus: Ich erkläre, was das Problem ist, was es braucht, um das Problem zu lösen. Sage auch, dass da viel Zeit ist, um selber zuhause was zu tun und ob es zusätzliche Anwendungen, Tape oder so brauchst.

up_doppelbehandlung: Und Du sagst, dass ich dafür einen Preis zahle, nämlich, dass ich selbst aktiv werde, oder? Du sagst: „Wenn du selbst aktiv wirst, dann tritt das und das ein“.

Buschhaus: Ja.

up_doppelbehandlung: Jetzt erkläre mir den Unterschied zu: „Wenn Du bereit bist, Geld zu bezahlen, kriegst Du was obendrauf“.

Buschhaus: Man könnte jetzt sagen, das eine ist Pay tun, das andere ist „free to play“…

up_doppelbehandlung: Die GKV ist also sozusagen der freie Eintritt – free to Therapie – und dann ist man bereit, etwas zu zahlen, und dann wird es schneller, besser. Nochmal zurück zu meiner These, dass Edukation kommunikativ das gleiche ist wie Verkaufen…also der Vorgang. Einmal sage ich: „Pass auf, da ist eine Zukunft, zu der willst du hin, dann musst du das und das tun“. Einmal muss ich selber aktiv werden – das ist das Edukative, einmal muss ich bezahlen. Ist doch kommunikativ identisch, oder?

Buschhaus: Würde sagen, ja. Das sind Optionen, die dem Patienten aufgezeigt werden.

up_doppelbehandlung: Aber das Erstaunliche ist, dass die meisten Therapeuten sagen: „Ja, Edukation muss sein“ – aber wenn ich sage: „Dann musst Du auch Geld verlangen“ – dann antworten sie, dass sie nicht verkaufen können. […]

 

Spannend? Um mehr zu erfahren, hört Euch die Podcast-Episode an!

 

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